Ab in den Süden

Reisealltag mit E-Auto und Hund

Endlose Autobahnkilometer, gespickt mit Mautstationen, regelmäßigen Zwangspausen zum Laden der Autobatterie, Gassigängen auf Raststätten, „interessanten“ Toilettenerfahrungen, so stellt sich der Reisealltag unseres E-Roadtrips dar. Kurz: Laden, Fahren, Maut zahlen, platte Hintern, Fingerfood und Hotelsuche on-the-run bestimmen den Reisealltag unserer Grand-E-Tour.

Aber der Reihe nach: Wir brechen in Franken Anfang Dezember 2022 zu unserem E-Auto Abenteuer auf. Es soll uns nach Sevilla im Süden Spaniens führen und, nach einer weihnachtlichen Unterbrechung zuhause, weiter in den hohen Norden Norwegens. Mit von der Partie quer durch Europa ist natürlich unsere portugiesische Wasserhündin Tamsin.

Der Streckenplan im Süden

Durch Deutschland

Zunächst fahren wir über die A7, A6 und A5 bis an die französische Grenze bei Mulhouse. Rund alle 200 Kilometer steuern wir eine Ladesäule an. Alles funktioniert wie es sein muss: Stecker rein, die Plugsurfing Karte an die Ionity-Säule halten, Strom fließt.

Wir cruisen weiter über Lyon und Montpellier bis an die Pyrenäen. Es geht gut voran, auch wenn wir länger brauchen als mit einem Verbrenner. Die gefahrenen Tageskilometer pendeln sich auf um die 500 Kilometer ein. Unterwegs klären wir das Abendessen und eine Unterkunft mit „Raubtiertoleranz“ für die kommende Nacht. Dank mobilem Internet und mangelnder Saison findet sich beides für gewöhnlich ohne große Probleme.

Durch Frankreich –

Etappenziele: Mortzwiller und Lunel-Viel (Hinweg), Toulouse und Besançon (Rückweg)

Die französischen Autobahnen arbeiten weiterhin überwiegend nach dem klassischen System mit großer, mehrspuriger Gare de Péage (Papierstreifen ziehen, bei der nächsten Gare einstecken, zahlen per Uhr oder Kreditkarte: funktioniert, aber lästig. Digital ist noch wenig umgesetzt. Als wir auf dem Rückweg die A79 befahren, sehen wir zwar, dass es auch digital geht, sind aber reichlich entsetzt über die touristenfeindliche Umsetzung (keine Mehrsprachigkeit, mangelnde Onlinebezahlmöglichkeiten). An den Raststätten geht dann nur analog. Das kostet Nerven und Zeit. Dann doch lieber Mautstationen. Was uns positiv auffällt: in Frankreich sind die Autobahntoiletten kostenlos und i.d.R. sehr sauber und modern.

Bei den Übernachtungen achten wir grundsätzlich auch auf den Preis. Im Rückblick zählen die französischen Unterkünfte zu den schlichtesten. Dafür sind die Kontakte zu den Vermietern herzlich und zum Teil sehr privat. Einmal lassen uns unsere Gastgeber sogar den Strom für unseren Polestar über Nacht aus der Steckdose ihres Schuppens ziehen – das Mitleid, dass wir mit einem vollelektrischen Auto unterwegs sind, steht ihnen ins Gesicht geschrieben – und servieren uns das Frühstück am nächsten Morgen im privaten Wohnzimmer, sozusagen unter dem Weihnachtsbaum. Alle Gäste sitzen gemeinsam an einer weihnachtlich gedeckten, langen Tafel. Eine spannende Idee, die uns sogleich mit einer französischen Familie auf dem Weg nach Barcelona und einem spanischen Paar auf Weihnachtsmarkttour ins Gespräch bringt.

Durch Spanien gen Süden

Etappenziele: Miami Platja, Cartagena, Sevilla

Spanien empfängt uns mit einer neuen Ladeerfahrung. Es gibt einige Lücken im Ionitynetz und wir müssen erstmalig ausweichen. Zu unserem Schreck funktioniert die EnBW Karte nicht. Alternative gesucht und gefunden, doch auch da funktioniert die Ladesäule nicht mit der Karte. Plugsurfing? Fehlanzeige, auch diese Karte will einfach nicht erkannt werden. Wir werden nervös, der Blutdruck steigt. Nach mühseligen Übersetzungsversuchen der ausschließlich spanischen Säulenbeschriftungen versuchen wir die Ladesäule in der App freizuschalten. Im Rückspiegel sehen wir, dass eine der Säulen auf grün springt. Natürlich irgendeine freie Säule, nicht „unsere“. Aber wer außer uns kann die Säule freigeschaltet haben? Hektisch parken wir um und stecken das Auto an. Es klappt. Puh! Hätte uns ja jemand sagen können, dass die Karten im Ausland nicht funktionieren. Von da an schalten wir bei den nächsten Kartenfehlversuchen alle Säulen per App frei. Zu Sicherheit richten wir alle notwendigen Apps auf einem zweiten Handy ein. Denn Abhängigkeiten von einzelnen Smartphones können gefährlich enden.

Außerdem fällt uns an diesem Tag auf, dass es preislich gewaltige Unterschiede gibt. Plugsurfing nimmt über 1,80€ für die kwh an der besagten Säule, EnBW den Festpreis von ca. 60ct. Zuletzt nervt kolossal, dass offensichtlich die Datenhaltung der Säulenbetreiber keinen Eingang in die deutschen Apps gefunden hat. Mehrfach suchen wir die in der App angegebenen Kennungen vergeblich auf den Ladesäulen und umgekehrt. Welch ein Glückspiel an der Säulengalerie! Netterweise sind es bei den Anbietern Endesa und Iberdrola in der Regel nur zwei bis vier Säulen pro Ladestation. Eine Logik der Reihenfolge lässt sich auch nicht erkennen. Ideal ist es, wenn schon ein Auto Strom nuckelt, denn die belegten Säulen werden treffsicher angezeigt. Daraus lässt sich manchmal trickreich die Reihenfolge und das Mapping der Nummern erschließen, aber ohne Gewähr. Deutsches Logikverständnis trifft auf südländische Datentoleranz.

Trotzdem genießen wir die Fahrt bei akzeptablen und E-Auto freundlichen Temperaturen um die 15-20 Grad durch sich ändernde Landschaften, Bettenburgen in Benidorm, Palmenstrand bei Miami Platja und nach einer weiteren Übernachtung Cartagena, die Stadt der Burgen und Festungen. Wir versuchen, die auf dem Weg liegenden Etappenziele jeweils mit einer größeren Gassi-Runde zu erkunden. In den Städten klappt das meist wunderbar. Tamsin schnüffelt durch Fußgängerzonen und über Bürgersteige, hinterlässt, was wir brav überall einsammeln, und wir fangen den Charakter der Stadt auf einer kleinen Entdeckungsrunde ein. An den Autobahnraststätten und Ladeparks ist das oft weniger vergnüglich, aber meist gibt es dennoch die Möglichkeit zu einer akzeptablen Hunderunde, zur Not auch mehreren, mit kleinem Durchmesser.

Den nächsten spannenden Moment erleben wir bei der Abfahrt aus knapp 1400m Seehöhe von der Sierra Nevada (A-82N) Richtung Granada. Die Auffahrt von Osten hat ziemlich Strom gekostet und wir brauchen schnellstens eine Ladestation. Der erste Elektronenspender, der uns unterkommt, lässt sich partout nicht in Betrieb nehmen. App und Kartensortiment streiken. 22% aktuelle Batteriekapazität teilt uns der Polestar mit und wir suchen fieberhaft über das Google-gesteuerte Polestar-Navi und den üblichen Apps von Plugsurfing und EnBW nach Alternativen. Mit 4% geplanter Restreichweite so gerade noch im Reichweitekringel gelegen taucht eine einzige, einsame Säule am Display auf. Was bleibt uns übrig. Wir suchen schon mal die Notnummer für den Abschleppdienst und fahren weiter.  

Dank akkuschonender Fahrweise (max. 90km/h, im Windschatten der vorausfahrenden LKWs) und nicht zuletzt durch die lange Bergabfahrt erreichen wir ein ziemlich heruntergekommen wirkendes Restaurant mitten in der spanischen Pampa. Der Ort scheint einem alten Wild West Film entnommen, wenig vertrauenserweckend und meilenweit davon entfernt, eine Ladesäule aus dem 21. Jahrhundert zu besitzen. Weit gefehlt! Zwischen rostigen Reklameschildern, klapprigen Lastern und schiefen Holzveranden taucht die versprochenen Wenea Säule auf. Wir verbinden den Polestar damit und siehe da, nach zwei Versuchen fließt Strom. Vier Fäuste für ein Halleluja! Sie lädt anständig mit knapp 80kw. Wir atmen durch.

Wir fahren durch bis Sevilla, die Unterkunft haben wir schon fest vorab gebucht. Allerdings hat die Stadt offensichtlich etwas gegen Schnelladestationen. Neben mehreren meistens gar nicht erst zu erreichenden 22kw Wechselstromsäulen („sorry, nur für Gäste unseres Hotels“ – trotz anderslautender Formulierung in der EnBW App) finden wir nur noch Tesla. Die sonstigen Provider liegen weit außerhalb des Stadtzentrums. Am Centre Commercial Torre Sevilla zwischen Guadalquivir und Canal de Alfonso XIII warten in der Tiefgarage zehn Tesla Charger auf uns. Der Grund für uns, auch diese App zu installieren.

Durch Spanien zurück gen Norden

Etappenziele: Granada, Vitoria-Gasteiz

Nachdem wir drei Tage die touristischen, kulturellen und kulinarischen Highlights dieser sensationellen Stadt kennenlernen und dank der fantastisch umsorgenden Gastfreundschaft unserer spanischer Freunde auskosten dürfen, planen wir kurzerhand noch einen Abstecher nach Gibraltar ein, bevor es weiter nach Granada und seiner Alhambra geht, ein weiterer Höhepunkt spanischer Kultur auf unserer Grand-E-Tour.

Von Granada an befinden wir uns wieder auf ausgetretenen Touristenpfaden, was sich an der Verfügbarkeit von Ionitysäulen bemerkbar macht. Für den Rückweg queren wir mal schnell ganz Spanien, vom Mittelmeer durch weitläufige Olivenplantagen nach Madrid und weiter zum Atlantik nach Biarritz. Nach einem Tagesaufenthalt in Toulouse und einem Besuch des dortigen European Space Centers sehen wir nach zwei Wochen in angenehmen 15-20 Grad im winterlichen Süden sehen wir in Deutschland den ersten Schnee. Wir freuen uns auf unsere eigenen vier Wände und noch mehr auf die Weihnachtszeit zuhause mit unserer Familie.

Der südliche E-Roadtrip in Zahlen

Die Tabelle gibt einen Überblick über unsere genutzten Ladeparks, zusammen mit einem Überblick über gefahrene Kilometer, Verbräuche und Kosten.