E-Reisen

It's a Polestar!

Da steht er also, der brandneue Polestar 2 Long Range Dual Motor in „Thunder“-Grau, noch verborgen unter einer Stoffhülle, in der hinterletzten Ecke des architektonisch ziemlich angestaubten Gebäudes eines lokalen Münchener Volvo Händlers.

Härtetest X-Europe

Nach dem zaghaften Testen unserer familiären E-Mobilität-Tauglichkeit anhand unseres Elektro-Rollers – alle schaffen es den Stecker in die richtige Buchse zu stecken und manchmal auch an vorausschauende Reichweitenplanung zu denken 😉 – haben wir den nächsten Schritt gewagt: die Anschaffung unseres ersten vollelektrischen Wagens, unseres Polestars 2. Jetzt wollen wir uns und ihn einem 2x 6.000 Kilometer Härtetest quer durch Europa und zurück unterziehen. Also, los geht’s.

Unsere Erfahrungen zum Fahrzeugmodell:

Motor: Long Range Dual Motor, Leistung: 300kw/408PS Drehmoment 660Nm

  • Die permanent erregten Synchronmotoren sorgen für eine gewaltige Beschleunigung. Spaß darf sein 😊. Das optionale Softwareupgrade „Performance“ haben wir nicht geordert. Warum auch?

Batterie: 78kwh in 27 Modulen, Ladeanschluss Typ2 und CCS

  • Der etwas hohe Verbrauch von über 25kwh/100km im Winter in Spanien und knapp 30kwh/100km schränkt die realistische Reichweite auf 200km ein. Wir werden sehen, ob das gegenüber anderen Tests hohe Niveau auf den Dachkoffer zurückzuführen ist. Für den Hund waren die vielen Ladestopps immer willkommen, für uns nicht immer.

Interieur Slate Weave Tech mit Black Ash Dekor, Pakete: Pilot Lite und Plus, Kofferraum 446l (vorne und hinten)

  • Innen problemlos und erstaunlich unempfindlich. Das Pilot Lite Paket versorgt das Auto mit allen notwendigen und nice-to-have Assistenten, das Pluspaket legt vernünftigen Sound, die Wärmepumpe und andere Annehmlichkeiten drauf.

Exterieur: Thunder metallic, Räder: 19“ Leichtmetallfelge mit 5 Doppelspeichen, schwarz, Diamantschnitt

  • Die Felgen sind leider kratzempfindlich, da die Reifen keinen Felgenschutz haben. Ansonsten ist die 19“ Felge unsere Wahl, da das Sportfahrwerk mit 20“ deutlich härter kommt und der Polestar durch seine sportliche Abstimmung schon so nichts für Weicheier ist.
Neuzustand
Nach 15.000 Kilometern

Was braucht man für die Grand-E-Tour?

In der Natur des E-Autos liegt die Notwendigkeit des Ladens. Mitgeliefert werden bei Polestar ein Typ2 Standardkabel für Wechselstrom Wallboxen, wobei der Polestar maximal mit 11kw mit dem Bordlader laden kann. Außerdem gehört zur Kabelage ein 220V auf Typ2 Ladekabel für die Haushaltssteckdose. Das zweite haben wir gleich aussortiert, da offensichtlich die nicht immer sichergestellte Ladeinfrastruktur zwischen Spanien und Norwegen nach mehr Flexibilität verlangte und eine mobile Wallbox als Sicherheitsleine dabei sein sollte.

Wir haben uns für den Juice Booster 2 entschieden, den wir im Paket mit Schuko, roten CEE 16, CEE32 und dem blauen CEE16 Steckern als mobile Wallboxlösung dazugekauft haben. Das gesamte Paket inkl. 10m Verlängerung passt zusammen mit dem Polestar Typ2 Ladekabel in den Frunk (den vorderen Kofferraum 😊). Wir haben bisher alle Steckervarianten genutzt, wenn auch nicht unbedingt jede mehrfach. Trotzdem ist es beruhigend, im Zweifelsfall gerüstet zu sein.

Für Norwegen ist es außerdem wichtig, dass die mobile Wallbox IT Netz-fähig ist. Dort käme das Polestar Schuko-Kabel mit der fehlenden Erdung nicht zurecht, der Juice Booster hat dafür eine spezielle „Norway“-Schaltung.

Frunk mit Ladekabeln

Smartphonehalterung

Ein Thema im Polestar ist die mangelnde Handyhalterung. Es gibt (noch) nichts im Zubehörhandel, vermutlich sind die Zulassungszahlen zu gering. Die vorhandene Ladeschale nutzen wir anderweitig, da unsere Handys wegen ihren voluminösen Hüllen sowieso nicht laden können. Außerdem nutzen wir gerne Smartphone und Polestar Apps parallel. Da passt es, dass wir die quietschbunte Carplay-Grafik nicht mögen und sie passt auch nicht zum kühlen nordischen Design des Polestar. Wie bekamen wir also unsere Halterung?

Der Sohn einer befreundeten Familie hat uns per 3D-Drucker eine angepasste Version eines einschiebbaren Halters gedruckt, der perfekt hinter das Zentraldisplay passt und die Bedienung eines Smartphones ohne Sichteinschränkung auf Zentraldisplay oder Instrumentendisplay ermöglicht. Wir hatten dazu eine auf Thingverse vorhandene Idee verbessert. Zusammen mit einer Brodit Halterung ist das genial. Danke Steffen!

Unsere Ladestrategie

Idealerweise lädt man sein E-Auto irgendwo kostenlos. Entweder beim Arbeitgeber, soweit das angeboten wird, beim nächsten Einkauf des freundlichen Supermarktes (Laden wird leider immer seltener kostenlos angeboten) oder daheim an der Photovoltaikanlage. Wer das alles nicht hat oder kann, der muss sich seine Ladestrategie zurechtlegen.

  • Da Polestar freundlicherweise für die ersten 12 Monate nach Kauf die Ionitysäulen mit 35ct/kwh über die mitgelieferte Plugsurfing Karte anbietet, ist nach den oben genannten Möglichkeiten Ionity mit Plugsurfing unsere 1. Wahl. Dies funktioniert leider nicht in der Nähe unseres Wohnortes, sodass Ionity nur für Langstrecken taugt.
  • In der Region laden wir mit der Ladeverbund+ App der N-Ergie. Als Stromkunde bekommen wir einen leicht vergünstigten Preis.
  • Die 3. Karte im Wallet ist die der EnBW. Die Karte bietet durch das ADAC Abo für Mitglieder gute Preise und eine ausreichende Verfügbarkeit als Ergänzung zu Plugsurfing. Die Karte wird unser Liebling werden, wenn das Plugsurfing/Ionity Abo ausläuft.
  • Ausgewählte Ladestationen bietet Tesla mittlerweile für non-Tesla Kunden an. Und das zu fairen Preisen. Dabei ist hilfreich, dass der Polestar genauso wie die Teslas den Ladeanschluss hinten links hat, damit kann er ohne Probleme nah genug an die Teslasäulen heranfahren. Diese haben i.d.R. sehr kurze Kabel und sind ergonomisch nicht auf andere Marken ausgerichtet. Tesla haben wir in Sevilla dazugebucht, da weder Ionity noch eine andere Schnellladesäule über unsere bisherigen Provider erreichbar gewesen wäre.

Alle bereisten Länder inkl. Südschweden und Süd-/Mittelnorwegen waren damit ohne Probleme erfahrbar. Der hohe Norden Europas ist aber noch in fester Hand der lokalen Anbieter und weder Plugsurfing noch EnBW haben dort ausreichend Ladesäulen im Portfolio. Einziger internationaler Anbieter ist Tesla, der sicherstellt, dass man mit seinem E-Auto bis ans Nordkapp fahren kann, zumindest entlang der Europastraßen, ein persönlicher Wunsch von Elon Musk? Für die eher abgelegenen Inseln des Nordlandes gibt es nur die lokalen Anbieter, die dann direkt oder per Parking App zu nutzen sind. Für uns bedeutete dies ein ganzes Sammelsurium an zunächst ungeplanten Ladeserviceprovidern:

  • Parkster und Easypark
    Beide Parking Apps funktionieren ohne Probleme mit deutschen Accounts und sind leicht zu installieren und zu konfigurieren (Kreditkarte oder Paypal notwendig).
  • Bilkraft (für Eviny Säulen), MER (für die eigenen Mer-Säulen), Circle K Charge (es gibt einige Tankstellen, die auch Ladesäulen haben) oder der Service-Provider Ladeklubben, bei dem man allerdings Mitglied im Norsk Elbil Forening werden muss, einer Art E-Auto Club (520 NOK p.a. plus 200 NOK für den Ladechip). Alle diese Anbieter laufen tadellos über die entsprechende App und sind auch leicht zu konfigurieren, solange man eine Kreditkarte nutzt.

Die oben genannten Anbieter haben wir teilweise spontan gefunden, weil nicht immer klar ist, wer nun die beste oder nächste Säule anbietet. So haben wir z.B. nie bei Recharge geladen, obwohl auch dieser Anbieter in Norwegen signifikant vertreten ist. Aber Recharge hatte keine Säule in unserer Nähe bzw. direkt neben den von uns favorisierten Supermärkten.

 

Das norwegische Mautsystem – automatisch, aber nicht immer einfach

Neben der Ladekarten kommt noch ein weiteres Thema in Nordeuropa auf den Tisch. Viele Autobahnen, Brücken, Fähren sind automatisch bemautet. Dies erscheint zunächst einmal einfach. Wenn man aber mit dem E-Auto einen möglichst günstigen Tarif bekommen möchte, muss man sein Fahrzeug vorher bei epass24 bzw. autopass.no anmelden, einen Maut-Provider auswählen (Brobizz, wir haben dann später auf Flyt gewechselt) und beauftragen. Die beiden letzten Provider versorgten uns dann mit einem Mautchip, der für die Registrierung der Fahrten durch die Tollgates sorgt. Zusammen mit unserem HUK Versicherungstracker und unserem kroatischen Autobahnchip haben wir die Windschutzscheibe nun ziemlich zugeklebt.

Foto: Windschutzscheibe mit Chiparmada